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AutorenbildSebastian Brändli

FAMILIE BURKHARD

Aktualisiert: 8. Dez.

Wir haben schon viele alte Wollishofer Geschlechter kennengelernt, die im Alten Zürich, also vor 1798, hier Bürger waren: die Asper und Hausheer, die Honegger – und auch die Burkhard. Kennengelernt haben wir vor allem Kaspar Burkhard, der im späten 19. Jahrhundert Zeichner und Maler war, von dem Emil Stauber in der Ortsgeschichte Alt-Wollishofen mehrere Ölbilder mit Wollishofer Ansichten veröffentlichte.


Aus der Frühzeit der Burkhard in Wollishofen wissen wir nur ungenügend Bescheid. Weil sie im ersten Bevölkerungsverzeichnis 1634 (der Kirchgemeinde Kilchberg, zu der Wollishofen damals gehörte) fehlen, nahm Emil Stauber an, sie seien erst kurz nach 1634 in Wollishofen aufgetaucht. Wir wissen aber, dass Vertreter der Familie auch schon früher hier wohnten und als Bauern arbeiteten, so etwa ein Heinrich Burkhard, der am 19. Juli 1579 Katharina Wädensweiler von Adliswil in der Kirche Kilchberg heiratete. Nachzulesen im Kirchenbuch Kilchberg.* Der Name Burkhard war aber damals nicht zahlreich in Wollishofen, eher im nahegelegenen Kilchberg, vor allem im Mönchhof, wo mehrere Familienvertreter im 16. Jahrhundert bekannt sind. So war der Wollishofer Heinrich Burkhard ursprünglich wohl auch vom Mönchhof her gekommen.


400 Jahre in Wollishofen


Ob Heinrich später in Wollishofen wohnte, ob er Kinder hatte, und ob diese ebenfalls in Wollishofen blieben, ob also schon im 16. Jahrhundert die Familie dauernd in Wollishofen ansässig war, wissen wir nicht – dies ist allerdings nicht anzunehmen, sind doch sonst keine Heiraten von Wollishofer Burkhards aus jener Zeit belegt. Was wir dann aber wieder wissen, ist, dass sich die Burkhards um 1637 dauerhaft in Wollishofen ansiedelten, dass hier durchgehend Vertreter der Familie lebten, und dass Nachkommen dieser Familie noch lange als Bauern hier am See wohnten und schufteten. Sie verliessen Wollishofen erst Mitte des 20. Jahrhunderts – weil sich das Bauern in der Stadt «nicht mehr lohnte», wie sich die Nachfahrin Elisabeth Keller-Burkhardt ausdrückt: Das Bauerntum liess sich mit den Entwicklungen und Bedürfnissen des Stadtquartiers nicht mehr vereinbaren.


So waren die Burkhards mindestens 400 Jahre ununterbrochen Bürger von Wollishofen! Sie wohnten an verschiedenen Orten, hauptsächlich aber im Viertel Erdbrust, lange Zeit an der Landstrasse, der heutigen Kilchbergstrasse. Sie wohnten tatsächlich im gleichen Haus, in dem noch heute der letzte Landwirt Wollishofens wohnt: in Nummer 101. Dass sie auch die Scheune auf Seite des heutigen Schipferhofs hatten, ist belegt. Was sonst vom Schipferhof (der in seiner heutigen Gestalt 20. Jahrhundert ist) ursprünglich zum Burkhardschen Hof gehörte, ist schwer zu entscheiden. Fast alles vom seinerzeitigen Bauernland ist heute ja mit Wohnhäusern überbaut. Zudem liegt der heutige Schipferhof direkt neben der Kilchbergstrasse 60-62, wo zu Zeiten des bäuerlichen Wollishofens über Jahrzehnte die Familie Honegger mit Familienvater Heinrich Honegger – Grossbauer, Seidenfabrikant, Gründer der Lesegesellschaft und Munizipalitätspräsident – wohnte. Ihr Anwesen dürfte ebenfalls Flächen des heutigen Schipferhofs umfasst haben.


Ländliche Idylle! Bauernhaus Burkhard, damals Kilchbergstr. 67, heute 101; um 1910.

1947 kaufte die Stadt das Haus, um es für eine breite Strasse abzureissen.

Dazu ist es nicht gekommen. Foto Privatbesitz FA Burkhard.


Im frühen 18. Jahrhundert gab es auch einen Untervogt Burkhard, der allerdings nicht recht in die Dynastie der Wollishofer Burkhard passt: ein Hans Jakob findet sich darin nicht um 1700. Es dürfte daher einer aus der Enge gewesen sein, der als Untervogt die Ehre hatte, sich zusammen mit den beiden Obervögten auf der alten Glocke als Spender verewigen zu lassen. 1729 berichtet der Obervogt dem Zürcher Rat vom Tod des Untervogts der Obervogtei Wollishofen «Jacob Burkharten Engi » – dies dürfte der Gesuchte gewesen sein (StAZH A 120, 24.8.1729).


Alte Glocke Wollishofen im Kirchhof, Inschrift von Hans Jacob Burkhart, Undervogt zu Wollishofen und der Enden. Foto SB (10.11.2023).


Die Wollishofer Burkhard waren später auch in der Politik tätig, so war Hans Rudolf (1752-1837) Säckelmeister – faktisch Gemeindepräsident – Wollishofens, und die Brüder Johannes (1781-1843) und Rudolf (1786-1855) waren Gemeinderat und sogar Gemeindepräsident – dies schon in der selbständigen Gemeinde des 19. Jahrhunderts.


Auch der Maler Kaspar Burkhard (1810-1882) wurde 1850 zum Gemeindepräsidenten bestimmt, wollte die Wahl aber nicht annehmen. Doch es herrschte Amtszwang, und er musste das Amt antreten. Er kämpfte aber bis zum Regierungsrat, welcher ihm das Amt dann erliess: Burkhard argumentierte, er werde «durch die mit der Stelle eines Gemeindammanns verbundenen Geschäfte, die sich seit Annahme der Stelle bedeutend vermehrt haben, in der Ausübung seines Berufes als Kupferstecher in aqua tinta allzusehr beeinträchtigt», zudem schlügen sie auf seine ohnehin schwache Gesundheit.**


Während Kaspar sich in München zum Künstler ausbilden liess und auch die damals für die Kunst unabdingbare Italienreise absolvieren konnte, übernahm Bruder Hartmann (1818-1907) den elterlichen Hof in der Erdbrust; dessen Sohn Johannes (1848-1925) blieb dem Beruf des Vaters treu und heiratete 1885 Seline Reutlinger (1831-1936).


Städtisches Bauern: Burkhards mit dem ersten (Klein-)Traktor beim Heuen. Um 1930.

Foto Privatbesitz FA Burkhard.


Die nächste Generation mit Ernst sen. (*1890) war jene, die zwar Bauern blieb, aber Wollishofen verliess, zusammen mit Sohn Ernst jun. (*1922). Die heutige Stammhalterin Elisabeth, Tochter von Ernst jun., der ich die Fotos verdanke, kam just im Jahr zur Welt, als die beiden Ernsten an den Greifensee zügelten. An den Grossvater Ernst sen. kann sich Elisabeth gut erinnern, nicht zuletzt an den mächtigen Opel Kapitän, mit dem Verwandte und Bekannte in der ganzen Deutschschweiz besucht wurden.***


Opel Kapitän (Modell 51) mit Nummernschild ZH 14744. 1950er Jahre.

Aufgenommen in Rehetobel AR (als es noch Schnee gab). Foto Privatbesitz FA Burkhard.



Heute wohnen keine Wollishofer Burkhard mehr im Quartier! Und Bauern leben hier auch fast keine mehr! Schön, dass es sich abzeichnet, dass für den einzigen noch bestehenden Bauernhof, dem Schipferhof an der Kilchbergstrasse, sich offenbar eine politische Lösung abzeichnet.



Sebastian Brändli


 

* StAZH E III 62.1, S. 55.

** StAZH MM 2.107 RRB 1850/0553.

*** Für viele Familieninformationen und für die Fotos danke ich Elisabeth Keller, geborene Burkhardt, sehr herzlich.

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