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FRAU TEMPELMANN ERTRÄNKT

Autorenbild: Sebastian BrändliSebastian Brändli

Adelheit Tempelmann lebte im 16. Jahrhundert. Ihre Eltern kennen wir nicht, ebenso wenig ihre genauen Lebensdaten. Wir wissen aber, dass sie im Jahre 1535 aus dem Leben schied. Dies indes nicht freiwillig oder auf natürliche Weise: Tempelmann wurde in der Limmat ertränkt! Wie kam es dazu?


Eigentlich waren die Tempelmanns ehrbare Bürger. Vertreter dieses Geschlechts sind am linken Seeufer schon früh belegt. So waren Tempelmannen in der Engi früh als Weinbauern tätig, so etwa 1458, als «Bertschy Tempelmann auf Enngi» beurkundete, für das Kloster Steinen 1 Juchart Reben «innert maximal 5 Jahren derart aufzuziehen, dass die Reben so ertragsreich sind wie die anderen, die er bereits vom Kloster hat.» Und bei einem Verkaufsgeschäft einer «Wiese im Honrain» unter der Leitung der Äbtissin des Klosters Fraumünster, Anna von Hewen 1431, war ein Claus Tempelmann Zeuge – auch das ein Ausweis über einen guten Leumund.*


Über die Adelheit Tempelmann kann man einen solchen nun überhaupt nicht annehmen. Im Staatsarchiv Zürich liegt ein Dokument, das uns die Geschichte von Adelheit Tempelmann aus Wollishofen erzählt.** Zwar nur rudimentär erzählt, weil wir nur die wichtigsten letzten Stationen ihres Lebens kennen. Adelheit war eine Diebin, heute würden wir wohl von einer Kriminellen sprechen, denn neben Diebstahl wurden ihr auch andere Missetaten vorgeworfen. Und sie war nicht nur in Zürich aufgefallen und ins Netz der Strafjustiz geraten, sondern zuvor auch schon in Winterthur und in Luzern.


In Winterthur und Luzern, so die Überlieferung, wurde sie, wie später in Zürich, verurteilt: «Gnadenhalber» schnitt man ihr in den beiden Städten aber «je nur ein Ohr ab»!


Leider - muss man sagen: Eine kriminelle Wiederholungstäterin!

Ertränken als Strafe für Frauen und für Männer


Auch aus heutiger Sicht sind die Vergehen, derer Tempelmann beschuldigt wurde, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir sind aber dennoch erstaunt, wie rabiat der für die Strafe zuständige Zürcher Rat gegen die Wollishoferin vorging. Betrachtet man die damaligen Vorstellungen über Kriminalität, Strafrecht und Strafprozessordnung, versteht man allerdings schon, worum es der Obrigkeit und der zu schützenden Gesellschaft ging: Diebstahl bzw. Eigentumsdelikte wurden generell häufiger mit dem Tod bestraft als z.B. Verbrechen gegen Leib und Leben oder Sexualdelikte. In einer Zürcher Statistik über die Todesurteile nach Delikten (16.-18. Jahrhundert) führt der Diebstahl mit 527 Todesurteilen weit vor den Sexualdelikten (234), der Gotteslästerung (102) oder des Mordes (95) (vgl. Historisches Lexikon HLS, Kriminalität). Die absoluten Zahlen mögen zwar nicht allzu viel aussagen, dennoch ist die Rangliste einigermassen klar.


Warum also die harsche Verfolgung von Diebinnen und Dieben?


Hierzu muss man sich vor Augen halten: Die Diebstähle, die vor den Rat kamen, waren solche von Wiederholungstätern, und vor diesen galt es die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Haft war damals eine recht unübliche Strafe, nicht zuletzt, weil man sich lange Haftstrafen als Gesellschaft schlicht und einfach nicht leisten konnte. Einen Häftling mehrere Jahre durchzubringen, belastete den Staat und die Gesellschaft allzu sehr.


Doch es bleibt die Frage: Weshalb Ertränken? Die Hinrichtungsarten von Kriminellen folgten einer aus heutiger Sicht nicht gerade plausiblen Logik. Erstens wurden Männer und Frauen generell nicht gleich bestraft, zweitens spielte der soziale Status der Verurteilten beim Strafurteil eine Rolle, und drittens änderten sich die Strafurteile durch die Aufklärung gegen Ende des Alten Zürichs. Für Frauen wurde häufiger Ertränken gewählt als für Männer, und eben: Haft- oder Geldstrafen waren auch seltener als heute.


1508 wird ein Schiffsmann in Zürich ertränkt, rechts im Hintergrund das Rathaus.

Ertränken einer Ausschnitt aus der Chronik von Diebold Schilling (p. 613). e-codices.



Die berühmtesten durch Ertränken Verurteilten im Alten Zürich waren übrigens die widerspenstigen Wiedertäufer der Reformationszeit: Felix Manz, geboren um 1498, wurde wegen seiner führenden Rolle in der Täuferbewegung und seinem hartnäckigen Widerstand «gegen die christliche Regierung» (so bezeichnete sich die Zürcher Obrigkeit im Urteil selber) am 5. Januar 1527 in die Limmat geworfen und so eben ertränkt.



Sebastian Brändli

 

* StAZH C II 2, Nr. 361 (16.10.1458) und StAZH C II 18, Nr. 379 (27.02.1431).

** Quelle: Staatsarchiv Zürich, B VI 253, fol. 109 v - 111 r / A 27.4.7, Nr. 9

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