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VERMISST: DER BOGENWEG

Es ist bzw. war selten, dass es einer Strasse so schlecht erging wie dem Bogenweg. Er war ein alter Weg, eine wichtige alte Verbindung der Erschliessung des Oberdorfs von Wollishofen. Aber er verschwand innert kurzer Zeit einfach vollständig von der Landkarte. Er war zwar immer nur eine kurze Strecke. Aber es gab ihn, und es gab mindestens ein Wohnhaus und eine bekannte Trotte, die am Bogenweg zu finden waren. Und doch verschwand der Weg von der Bildfläche. Wann? Und: Weshalb?


Stadtplan Zürich 1913, Ausschnitt Bogenweg.


Der Bogenweg (vgl. auch schon den Blogbeitrag Quartierverein) führte von der heutigen Albisstrasse 62, also von der Einmündung der Tannenrauchstrasse in die Albisstrasse, nur leicht gekrümmt zur heutigen Butzenstrasse und darüber hinaus, diesmal in elegantem Bogen, in die Albisstrasse, bei der heutigen Nummer 80. Der Bogenweg führte also von der Albisstrasse zur Albisstrasse, war somit eine Parallelstrasse zu dieser. Ob der Bogenweg allenfalls älter war als die Albisstrasse, in früherer Zeit also der Bogenweg die einzige Verbindung war zwischen Unterdorf (etwa Gebiet des heutigen Morgentals) und Oberdorf (v.a. alte Kalchbühlstrasse), ist schwer zu entscheiden. Auf einer Karte des Gemeindebanns 1788 sind die beiden Wegführungen eingezeichnet und scheinen fast gleichwertig. Ein Argument für ein höheres Alter des Bogenwegs wäre wohl der Umstand, dass dieser sich stärker am Verlauf des Dorfbaches orientierte. Und wichtig: Der Bogenweg verband die beiden dörflichen Zentren Wollishofens der frühen Neuzeit: das Unterdorf mit dem Oberdorf. Diese besondere – «lokale» – Funktion fiel mit der neuen «Durchquerung» von Wollishofen durch die Albisstrasse dahin bzw. wurde unnötig.


Geometrischer Plan Wollishofen 1788, Ausschnitt Bogenweg


So war ein erster Stoss, der das Schicksal gegen den Bogenweg einleitete, der Bau und Ausbau der Albisstrasse in den 1840er Jahren. Neu an diesem Strassenausbau war, dass die neue Hauptstrasse eine direkte Verbindung von Wollishofen nach Adliswil über das sumpfige Moos brachte, was die Strasse ungemein aufwertete, und auch in Wollishofen selber wurden neue Strassenstücke gebaut, worauf wir schon im ersten Blogbeitrag ALBISSTRASSE hingewiesen haben. Und eben: Die neue Albisstrasse folgte nicht dem Dorfbach, nicht dem Trassee des Bogenweges, sondern nahm die direkte Verbindung als Richtschnur, und leitete damit den Untergang des Bogenweges ein.


Wohnhaus und Trotte

Bogenweg. Aufnahme ca. 1925. Baugeschichtliches Archiv Zürich.


Auf dem Foto sieht man im Vordergrund links die Trotte, und rechts das alte Bauernhaus, das auch auf dem Plan 1788 zu erkennen ist – ein Anbau scheint über den Bach zu ragen, vielleicht wurde das Wasser in irgend einer Weise genutzt. Im Hintergrund ist die alte Tannenrauchsstrasse (heute Kilchbergstrasse) zu erkennen – sozusagen als Fortsetzung des Bogenwegs, auf der rechten Seite sind die heute noch bestehenden Häuser (Albisstrasse 63 und 65) sowie, etwas erhöht, der Hof Tannenrauch; auf der linken Seite hinten die alte Kirche sowie davor die Baumeisterhäuser (heute Simmlersteig).


Dass der Bogenweg verschwand, hat wie erwähnt mit der Bedeutungszunahme der Albisstrasse als Hauptverkehrsader mit neuer städtischer Bebauung zu tun. Schon auf dem Stadtplan von 1913 erkennen wir, dass das einzige Wohnhaus, das klar am Bogenweg lag, von der Albisstrasse her nummieriert wurde: Albisstrasse 66. Das Haus daneben, das auf dem Foto oben nur noch angeschnitten erscheint, trägt nicht mal eine eigene Nummer. Und der Bogen, der dem Bogenweg den Namen gab und der zurück in die Albisstrasse führt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts der Rainstrasse zugeschlagen mit den Nummern 1 (heutige Butzenstrasse 1) sowie 3 und 5 – beide schon früh für die apostolische Kirche an der Butzenstrasse abgebrochen (die unterdessen auch schon wieder Geschichte ist). Erst in den 1980er Jahren wurden die beiden Häuser Albisstrasse 76 und 78 entfernt, die ihre Schrägheit auch dem Bogenweg verdankten. An ihre Stelle traten die beiden weisslichen Neubauten Albisstrasse 80 und 82 auf Höhe der Tramstation Butzenstrasse. – In diesem Bereich stand ja auch der erste katholische Schopf Wollishofens, jenes Waschhüsli, auf das Hans Bosshard im seinem Blogbeitrag hingewiesen hat.


Noch eine Vermisstmeldung


Einen schönen Überblick auf diese verwickelte Geschichte gibt ein seltenes Foto, das ich leider nur in einer (schlechten) Kopie besitze (das Original der schlechten Kopie – auch nur eine alte Fotokopie – wird im Ortsmuseum gehütet).

Blick auf das Gebiet Rain-/Butzen-/Albisstrasse: Eine seltene Aufnahme.

Kopie im Ortsmuseum.


Im Zentrum der Fotografie erkennen wir das Haus Butzenstrasse 1, ein Baumeisterhaus, das heute noch steht. Es steht schräg vis-à-vis vom Lavaterhaus, das wir vom Blogbeitrag HOCHHAUS kennen. Zwischen der Butzenstrasse 1 und den beiden schräg stehenden Häuser Albisstrasse 76 und 78 können wir die Einmündung des alten Bogenweges in die Albisstrasse erahnen. Im Vordergrund der Fotografie sehen wir den Anfang der Rainstrasse (Rainstrasse 5, die heute noch steht) sowie die Überbauung Meisenweg/Butzenstrasse. Natürlich erkennen wir auch weitere noch stehende und auch weitere verschwundene Häuser in diesem Geviert.


Eine ganz spezielle Liegenschaft erstaunt Betrachtende des Bildes aber besonders: Links von der Butzenstrasse 1 ist ein mächtiges Mehrfamilienhaus mit hohem «französischem» Dach zu sehen. Dieses Haus, einst Albisstrasse 76, wurde in den frühen 1960er Jahren ersatzlos abgerissen; heute befindet sich im Spickel zwischen Albis- und Butzenstrasse ein kleines unscheinbares Pärkli. Von diesem Haus existieren nur wenige Abbildungen. Die beste im Baugeschichtlichen Archiv: links Butzenstrasse 1, rechts Albisstrasse 76. Man beachte auch den Brunnen, der zu den alten Häuschen am Bogenweg gehörte...


Blick über die Albisstrasse: Butzenstrasse 1, Albisstrasse 76. 1961.

Baugeschichtliches Archiv Zürich.


Und noch ein Foto vom alten, «schrägen» Haus an der Albisstrasse (Nummer 78), erbaut vor 1800, abgerissen 1993!!!

Albisstrasse 78 (heute 80), mit Brunnen und Einmündung Bogenweg. Sammlung MZ.




Sebastian Brändli

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