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VOM HOF HONRAIN BIS HORN

Aktualisiert: 29. Feb.

Der Hof – genauer der Hof Honrain – ist die erste Siedlung Wollishofens, kommt man von der Stadt dem Seeufer entlang, das Horn ist die letzte, just an der Gemeindegrenze zu Kilchberg. Dazwischen liegt das Wollishofer Seeufer, das sich im 19. und 20. Jahrhundert durch Aufschüttungen und Gestaltungen, insbesondere auch durch Strassen, die Eisenbahn sowie Unterführungen stark verändert hat. Wichtig für die Aufschüttungen waren Ufergestaltung und Geländegewinne, auch für Ausstellungen, so insbesondere für die Landi 1939 und die SAFFA 1958. Das Seeufer ist heute vom Quartier etwas distanziert, und die Wohnhäuser an der Seestrasse gegen Kilchberg hin sind vom Rest des Quartiers fast ein bisschen abgeschnitten.


Vor der Industrialisierung und dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gehörte der See richtig zum Quartier. Am Ufer lagen – relativ nahe beieinander – mehrere kleine Siedlungen. Auf der Kantonskarte von Gyger (1667) sind diese Kleinsiedlungen fast alle eingezeichnet und folgendermassen bezeichnet: «Hornneren», «bim Hauwmesser», «Köchli-Hüser», «Rumpump», «Erdbrust», «Hornn». Gyger nahm also Hof und Gässli als Einheit wahr und bezeichnete es als Honrain. Die Siedlung am Bach hiess bei ihm noch «Köchli-Hüser», Rumpump war schon 1667 der Name des kleinen Quartiers, Erdbrust war noch am See gelegen; die dann folgenden Einzelhäuser, später u.a. mit Kloster benannt, liess Gyger weg, um zum Schluss zum Horn und zur Grenze zwischen den Obervogteien Wollishofen und Horgen zu kommen.


Gyger Kantonskarte 1667. Ausschnitt Wollishofen. Wikipedia.


Der Hof Honrain ist sehr früh dokumentiert als Besitz des Klosters am Zürichberg, einem eigenständigen Augustiner-Konvent beim «Klösterli» hinter dem Zoo. Emil Stauber zitiert eine Urkunde von 1259, und er listet anschliessend eine ansehnliche Besitzerliste bis ins 19. Jahrhundert hinein auf (S. 56). «Honrain» ist übrigens ein Name mit Komplikationen. Erstens kann er einen Ort ebenso wie eine Person benennen – mehrere Wollishofer um 1500 hiessen «Honrain», so etwa «Petter Honrain von Erdprust» (1504). Zweitens sind der Familien- und der Flurname in sehr vielen Variationen überliefert, neben «Honrain» auch «Honren» oder gar «Hohenrain», manchmal kommt es gar zur Verwechslung mit «Horn».


Von mehrfachem Interesse ist eine Urkunde im Staatsarchiv (W I 1, 590), die im Jahre 1396 einen Verkauf von «Reben in Honrain» an Töchter des Stadtzürchers Burkart Wilberg bezeugt und dabei festhält, dass die Töchter das Recht haben, das Lehen «mit den gleichen Rechten zu besitzen und zu nutzen, wie wenn sie Knaben wären.» Einmal bezeugt das frühe Dokument Rebbau in Wollishofen, bis an den See, und zweitens ist Verleihung an Frauen selten und so kulturgeschichtlich interessant.


Am Ende des Ancien Régime – 1798 – gehörte das Anwesen dem letzten Untervogt Weber, anfangs des 19, Jahrhunderts für kurze Zeit dem Stadtbürger Locher, ab 1810 dem von Thalwil zugezogenen Maurer und Baumeister Hans Ulrich Staub (1780-1852).


Hof Wollishofen (Seestrasse 269). 1972. Fotograf unbekannt.

Sammlung MZ. Nicht gelaufen.


Staub akklimatisierte sich gut in Wollishofen. Grosse Aufträge liessen sein Geschäft blühen, er erhielt solche nicht nur in der Gemeinde, sondern auch von Kunden in der Stadt. Offensichtlich konnte er seine Arbeiten zur Zufriedenheit ausführen. Er und seine Söhne waren – obwohl Neuzuzüger – in der Folge eine der bestimmenden Familien in Wollishofen. Schon im Jahre seines Zuzuges wurde Staub von der Bürgerlichen Abendgesellschaft (auf Wunsch des Präsidenten Heinrich Honegger) angefragt, ob er Mitglied der Gesellschaft werden wolle. Welche Ehre! Staub wurde ein wichtiges Mitglied von Gemeinde und Gesellschaft – die Beerdigung nach seinem Hinschied 1852 war «ausserordentlich zahlreich», wie das Protokoll der Gesellschaft festhielt. Staub kaufte nach dem Hof Honrain noch einige weitere Liegenschaften in der Umgebung zu, und er erbaute insbesondere im Jahre 1835 das heute noch stehende klassizistische Wohnhaus Seestrasse 279, das er zu seinem Wohndomizil machte.*


Klassizistisches Wohnhaus, Seestr. 279, 1835 erbaut von Baumeister Ulrich Staub.

Foto SB (09.07.2021).


Gleich neben der Seestrasse 279 zweigt heute die Honraingasse senkrecht gegen den See hinunter von der Seestrasse ab. Diese Gasse hiess früher «Gässli», die Häuserzeile wird von Häusern mit unterschiedlicher Geschichte gebildet. Ich hoffe, dass ich später einen separaten Blog zum Gässli publizieren kann, handelt es sich beim ältesten Haus doch um einen Landsitz eines Städters, zudem ist das Areal das wohl am frühesten besiedelte Wohnquartier nach den Pfahlbauten – davon zeugen die römischen Mosaiken, die hier gefunden wurden.


Die nächste Station ist die Bachstrasse, deren Siedlung gemäss Gyger im 17. Jahrhundert «Köchli-Häuser» hiess. Diese säumten den Dorfbach, der hier in den See mündete; sie waren mit dem Tivoli gegen den Hang hin verbunden (vgl. Blog TIVOLI). Der Ausbau der Kantonsstrassen nach 1830 und die Einrichtung der linksufrigen Seebahn 1875, die Ausbauten des Bahnhofareals 1925 und die Strassenunterführung (Seestrasse) änderten das Quartier vollständig, so dass heute das einstige Viertel nur noch mit einer rechten Portion guten Willens erahnbar ist.


Ausschnitt Seeufer Wollishofen. Aus: Übersichtskarte Zürich Burger&Hofer. 1896. e-rara.


Das Seeufer zwischen der 1892 erbauten Roten Fabrik und dem Horn war schon vor der Industrialisierung eine vom See geprägte Zone, mit Fischerei und Schiffahrt sowie dem dazugehörigen Gewerbe; die Industrialisierung veränderte vor allem durch Rote Fabrik und das Greppi-Haus (Blogs folgen) sowie die Waschanstalt einiges.


Einen besonders markanten Akzent an dieser Uferzone setzte Oberstleutnant Wilhelm Honegger (1819-1884). Er war Sohn des Seidenfabrikanten und Philanthropen Heinrich Honegger, der im damals «stattlichsten Anwesen» Wollishofens an der Kilchbergstrasse 62 gewohnt hatte, wo auch seine fünf Söhne aufwuchsen. Wilhelm folgte seinem Vater als Seidenfabrikant, stellte sich aber auch als Gemeindepräsident von 1847-1859 zur Verfügung. Seinen klassizistischen Palast setzte er ans noch fast unverbaute Ufer zwischen Rumpump und Kloster. Der Bau selber ist ein programmatisches Denkmal sondergleichen, «ausgezeichnet durch ruhige Einfachheit der Formen und Proportionen».**


Sog. «3. Honeggerhaus». Baujahr 1848. Aufnahme 1890. Ortsmuseum.


Vom ursprünglichen Baubestand (vor 1812) von Alt-Wollishofen blieben die Häuser vom «Kloster» (Seestrasse 520 und 524ff) erhalten – gottlob! Woher der Name stammt, ist ungeklärt. Ein Kloster stand mit grösster Wahrscheinlichkeit nie an diesem Ort. Möglich, dass ein Haus oder ein Rebberg in der Nähe längere Zeit im Besitze eines Klosters war. Vor 1514 stand in der Umgebung eine Kapelle, die vormals dem Kloster Kappel gehört hatte. Eventuell nimmt der Name «Kloster» darauf – auf Kapelle und Klosterbesitz von Kappel – Bezug.***


Die Häuser Seestrasse 520 und weitere in Wollishofen zeugen vom alten Dorfteil «Kloster». Aufnahme: Tiefbauamt. 1931. Baugeschichtliches Archiv Zürich.


Das «Kloster» ist der letzte Siedlungskern vor dem Wollishofer Horn – oder Kilchberger Horn, denn ein Teil der Siedlung lag seit je in Kilchberg. Der Name «Horn» stammt vom Delta, das der Bach angehäuft hat. Wie heisst der Bach? Ich weiss es nicht. Auf einem alten Plan wird er «Bächlerbach» genannt, Escher sprach 1906 vom «Hornbach». Unser Hornbach hat seine Quelle gemäss dem Plan 1885 jedenfalls beim Stockergut in Kilchberg, trödelt bis zur Gemeindegrenze vor sich hin, und fällt dann steil die Hornhalde herunter – heute natürlich eingedolt. Von der Siedlung Horn, die ja eben auch auf der Kilchberger Seite des Baches liegt, stehen noch einige alte Häuser. Sie – und natürlich auch industrielle Zeugen wie der Kamin auf der nachfolgenden Karte oder das Gebäude der heutigen Lips-Schule – weisen darauf hin, dass sich am Horn schon früh Gewerbe niederliess – vorzugsweise Gewerbe, das mit dem See in Verbindung stand. Das letzte Gebäude auf Stadtzürcher Boden – ein kleines Industriegebäude mit einem nachgeahmten Barock-Oktogon im Garten – gehört heute der Stadt und dient der Zürcher Wasserversorgung.

Das Horn in Wollishofen, vom See aus. Um 1919. Fotograf unbekannt.

Sammlung MZ. Gelaufen am 3.12.1919.


(SB)


 

* Den Hof übernahm Sohn Jakob Staub, 1808-1864, und Honrain blieb bis ins 20. Jh. in der Familie. Eine Urururenkelin von Hans Ulrich, Myrtha Frick, wohnt heute in Küsnacht. Vgl. ihre Schilderungen im Küsnachter Jahrbuch 2016, S. 50.

** Zit. nach der Projektionsbildersammlung des Ortsmuseums.

*** Diese Meinung vertritt Pfarrer Hauri, der in seiner Wollishofer Kirchengeschichte diese Verbindung macht (S. 4).

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