Die Wöschi – die Waschanstalt Zürich an der Seestrasse – war über Jahrzehnte ein Wahrzeichen Wollishofens. Ein Teil des Erfolgs lag im klaren Erkennungswert ihres Markenzeichens: des rot-weissen Hahns, entworfen von Robert Hardmeyer, 1904.*
Plakat Waschanstalt Zürich. Entwurf Robert Hardmeyer 1904. Ortsmuseum.
Die Geschichte beginnt früh. Als die Stadt im 19. Jahrhundert wuchs, und die sanitarischen Einrichtungen mit dem Wachstum mithalten mussten – und wegen Cholera und anderen Epidemien die Anforderungen für Hygiene und Abfuhr von Gebrauchtwasser anstiegen –, wurden auch Ideen gewälzt, das Waschen, die Wäschehygiene zu verbessern. Vielerorts gab es Pläne, wie Waschanstalten so aufgebaut werden könnten, dass sie möglichst über Frischwasser verfügten, man aber auch das Gebrauchtwasser schnell entfernen konnte. In Zürich war Heinrich Treichler aus Wädensweil ein Pionier, der – die Lage Zürichs am Fluss nutzend – schwimmende Wäschereien auf der Limmat betrieb. Als Treichler 1857 ein Gesuch eingab, ein grösseres Wäsche-Schiff erbauen zu wollen, liessen die Behörden ihn wissen, dass sie «etwas Rechtes» erwarteten. Treichler ging darauf aufs Ganze, und liess von niemand Geringerem als vom ETH-Professor Gottfried Semper (1803-1879) einen Entwurf für ein solches Gross-Wäsche-Schiff ausfertigen: Die Wände waren pompejanisch geschmückt, das Dach wurde von weiblichen Figuren getragen. Zunächst war das Waschschiff am Limmatquai stationiert, nach 1870 musste es dort weichen – es wurde nach Wollishofen geschleppt und ging dort fest fixiert.
Waschschiff Treichler, ca. 1870, am Limmatquai.
1872 zur Waschanstalt Zürich Seestrasse 463 geschleppt.
Baugeschichtliches Archiv Zürich.
Das in Wollishofen verankerte Schiff erfuhr schnell eine stationäre Erweiterung: es entstand eine Fabrikanlage mit Backsteingebäuden, hohem Fabrikschlot, einer Shedhalle sowie 1976 einem modernen zweistöckigen Fabrikgebäude. Das Schiff wurde in die Anlage integriert – gemäss Wikipedia-Eintrag verschwand es erst 1955. Das Geschäft lief gut, man profitierte vom Schwung Treichlers: So wurde 1900 ein zusätzliches Gebäude erstellt, es fanden darin neue Dampfkessel Platz. Zudem schaffte man eigene Stallungen mit Pferden an und erwarb neue Maschinen für das Hemdenbügeln. All das kostete natürlich viel Geld – bis man plötzlich merkte, dass man mit den bisherigen Preisen diese Investitionen nicht stemmen konnte. Glücklicherweise wurde 1904 ein neuer Direktor eingestellt, «welcher trotz grosser Widerstände das Steuer herumwarf und [endlich!] eine auf gründlicher kaufmännischer Kalkulation beruhende Preispolitik einschlug» – wie die Firmengeschichte von 1960 festhielt.** Das war das Werk von Eugen Bosshard, der dem Unternehmen in der Folge lange Zeit erhalten blieb – er war 40 Jahre lang Direktor, und verblieb anschliessend im Verwaltungsrat bis über 1960 hinaus!
Verwaltungsrat (1931-1954): Heinrich Hausheer, Eugen Bosshard, Theophil von Salis und Prof. Dr. Hans Heusser (v.l.n.r.). Aus: 100 Jahre Waschanstalt, Zürich 1960.
Unter Leitung von Bosshard wurden auch zahlreiche weitere Innovationen realisiert, die den Betrieb stärkten, so etwa «zwei neue Wäschearten, die Handtuchrollen in Automaten, eine von USA übernommene Erfindung, und die sogenannte Sackwäsche, welche in Deutschland eine erstaunlich rasche Entwicklung durchgemacht hat.» Solche Innovationen hätten der Firma «schöne Erfolge» gebracht, formuliert die Firmengeschichte.**
Mit der zunehmenden Industrialisierung der privaten Haushalte – Waschmaschinen wurden seit den 1960er Jahren zusehends «obligatorischer» Teil einer Wohnungseinrichtung – musste sich das Geschäftsmodell der «Wöschi» aber grundsätzlich anpassen. Das bedingte einen Wegzug der Waschanstalt vom angestammten Ort am Wollishofer Seeufer im Jahre 1997. Damit war das Areal frei für neue Nutzungen.
Waschanstalt Zürich. Seestrasse 463, 1906. Baugeschichtliches Archiv Zürich.
In der Publikation «Waschanstalt Zürich-Wollishofen. Umnutzung und Neubau» ist der Planungs- und Realisierungsprozess der Umnutzung mit Abriss, Renovation und Neubauten gut beschrieben.*** Entstanden ist ein neues seenahes Stadtquartier mit Wohnungen und Geschäftsnutzungen, unter Beibehaltung einiger alter Bausubstanz, die das Ensemble als Neunutzung eines einstigen Industriedenkmals prägen und markieren. Dazu gehört insbesondere der Fabrikschlot und das Backstein-Fabrikgebäude an der Seestrasse 463. Zur Lage am See gehört auch die Durchgängigkeit des Seeuferweges, der vor dem Areal – als Steg über dem Wasser – realisiert wurde.
Persönlich bin ich selten im Wöschi-Geviert. Und da ich auch niemanden kenne, der dort wohnt, weiss ich auch nicht, ob man sich als Wöschi-Bewohner:in zu Wollishofen gehörig fühlt. Ohne Zweifel gehört das Areal, zwischen Badi und Hafen Wollishofen, aber zum Quartier und zeigt eine Form des Wandels auf, wie industrielle Flächen, die ihrer einstigen Funktion verlustig gingen, neu positioniert und dennoch «alt» markiert werden können.
Fabrikgebäude Waschanstalt Zürich. Seestrasse 463. Foto SB (24.02.2022).
(SB)
* «Zu der Umsatzerhöhung hat wohl unser, in der ganzen Schweiz bekannter, im Jahr 1904 als Fabrikmarke registrierter „Hahn“ nicht wenig beigetragen.» Zitiert nach: Waschanstalt Zürich A.G., Zürich-Wollishofen, 1860-1935, S. 6.
** 100 Jahre Waschanstalt Zürich AG, Zürich 1960, S. 29ff. und 45.
***Angélil/Graham/Pfenninger/Scholl Architecture. Waschanstalt Zürich-Wollishofen. Umnutzung und Neubau. Niggli. Sulgen/Zürich 2001.
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