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WOLLISHOFER SEEPFERDLI


Vier Weidlinge liegen vertäut am Ufer, die Delphi wird mit dem grossen Kran zu Wasser gelassen, Schwimmwesten und Ruder liegen bereit, Kinder und Jugendliche stossen dazu, Leiterinnen und Leiter sind emsig an den letzten Vorbereitungen: Es ist Samstagnachmittag und Programmbeginn bei der Seepfadi am Mythenquai in Wollishofen! Rund 40 Pfadis treffen sich zu den Aktivitäten unter kundiger Leitung.

Fotos Bootsplatz UH, 31.8.24


Einmalige Seepfadi


Die Seepfadi Zürich ist die einzige in der Schweiz! Gegründet 1958, führt sie seit bald 70 Jahren erfolgreich Programme durch für Kinder und Jugendliche – im Sommer auf Schiffen und am Wasser, im Winter an Land (dann meist im Wald). Die vier- bis sechsjährigen Seepferdli sind das ganze Jahr im Wald unterwegs. Die sieben- bis zehnjährigen Seewölfinnen und -wölfe sind bereits ab und zu bei Aktivitäten auf dem Wasser dabei. Mit etwa elf Jahren treten sie dann zu den Seepfadi über. Im Lauf der Pfadizugehörigkeit lernen Seepfadis vieles rund um Nautik und Schiffe, es können zudem Prüfungen absolviert werden: Matrosenkurse, Segeln, Fahren mit Motorbooten oder Pontonierkurse auf Fliessgewässern. Aber auch alle anderen Pfadi-Tätigkeiten kommen nicht zu kurz.









Pfadihemd von Abteilungsleiter Cariño, oben rechts das Logo der See-Pfadfinder, welches auch auf allen Schiffen angebracht ist. Foto UH, 31.8.24



Heimathafen Wollishofen


Die Seepfadi ist eine Abteilung der Pfadi Glockenhof, über die bei Wollipedia bereits berichtet wurde: Die Gloggipfadi hatte Kontakte nach Wollishofen und daher nach der Gründung 1912 ihre erste, selber gebaute Pfadihütte im Entlisberg (vgl. BRANDSTIFTUNG IM ENTLISBERG). Dass der Bootsplatz der Seepfadi ab 1958 ebenfalls nach Wollishofen kam, ist aber unabhängig davon zustande gekommen und den guten Kontakten von ehemaligen Pfadfindern mit der Stadt Zürich und der Kibag zu verdanken.


Der sogenannte Heimathafen oder Bootsplatz der Seepfadi war nicht immer an der gleichen Stelle am Seeufer: Der aktuelle Ort neben der ZSG-Werft – im Besitz der Stadt Zürich – bietet genügend Abstellplätze für alle Segelboote, die Weidlinge und das grosse Boot namens «Delphi», zudem Raum für alles Material und für die Vorbereitungs-Treffen der Leitenden. Ein weiteres grosses Boot liegt an einer Boje neben der roten Fabrik.


Der allererste Heimathafen in Wollishofen, ab 1958 bei der Kibag gelegen, musste nach vier Jahren zugeschüttet werden und fiel daher weg. Als Notlösung setzte die Seepolizei Bojen beim Campingplatz Wollishofen, um die Schiffe festzumachen, wobei das Beiboot im Hafen Tiefenbrunnen stationiert war und die Pfadis sich dort treffen und drei Sommer lang für die Treffen hinüberrudern mussten.

 

1965 gab die Firma Pestalozzi der Seepfadfinderabteilung die Erlaubnis, einen Teil ihres Grundstücks beim Mythenquai als Bootsplatz zu benützen: Endlich hatten die Seepfadfinder wieder einen Heimathafen, wo sie das viele Bootsmaterial lagern konnten. 1968 wurde die Lage aber nochmals ernst, da das Grundstück in den Besitz der Stadt überging. Es kam aber gut, trotz kleinerer Nutzfläche: Es konnte eine Vereinbarung mit der Stadt getroffen werden. Diese gilt bis heute. Auch ist das Verhältnis zu städtischen Stellen gut. So durften und dürfen die Seepfadfinder Schiffe der Stadt benutzen, und im Gegenzug bei verschiedenen Aufgaben tatkräftig mithelfen, indem beispielsweise an Seenachtsfesten andere Schiffe auf die Sperrzone aufmerksam gemacht oder an den Ufern alle Kasten mit Rettungsringen kontrolliert werden. Heutzutage geschieht solche Mithilfe anlässlich des Limmatschwimmens.


Vorne das Langboot «Turica» (grosser Weidling), hinten die «Carona», Fahrt ins Sommerlager 1966, Foto aus dem Archiv der Pfadi Glockenhof


Ins Pfadilager mit dem Schiff


Auch die Firma Kibag war der Seepfadfi stets wohlgesinnt: Sie stellte ab Gründungsjahr einen alten Steinbruch in der Nähe von Schmerikon als Ferienlagerplatz mit Baracke zur Verfügung, und zu Beginn wie erwähnt auch den Seepfadi-Bootsplatz in Wollishofen. Der Steinbruch darf bis heute genutzt werden; die meisten Lager finden denn auch dort statt: Je nach Lagerdauer und Altersstufe der Teilnehmenden wird die Stecke rudernd zurückgelegt oder ein Aussenbordmotor zu Hilfe genommen.

 

Die Flotte


Heute besitzt die Seepfadi gegen ein Dutzend Segelschiffe, weitere zwei Dutzend Segelschiffe gingen im Verlauf der mehr als 60 Jahre durch ihre Hände.  Dank der Pontonierkurse, welche bei der Seepfadi im Rahmen der vordienstlichen Ausbildung der Armee angeboten werden, stellt das Militär jedes Jahr mehrere Weidlinge zur Verfügung, die für den regulären Pfadibetrieb zum Einsatz kommen. Zur Flotte gehören zudem ein ehemaliges Hochseerettungsboot (Delphi) und ein Langschiff (Arktis).


Die Delphi ist bereits das vierte ehemalige Hochsee-Rettungsboot, welches die Seepfadi von einer Schweizer Reederei übernehmen konnte. Das zweite dieser Art, die Carona, hat eine ganz besondere Geschichte mit einem Wollishofer.

Die «Carona» im Sommer 1967 auf dem Zürichsee, Foto: Archiv der Pfadi Glockenhof


34 Leben gerettet


Vor der holländischen Insel Terschelling kam es am 28. Februar 1964 im dichten Nebel zu mehreren Schiffszusammenstössen. Das unter schweizerische Flagge fahrende Güterschiff «Carona» (2351 BRT) wurde dabei von einem dreimal grösseren liberianischen Frachtschiff seitlich gerammt und ging unter. Das unfallverursachende Schiff verschwand im Nebel, ohne sich um die Überlebenden zu kümmern.


Alle 34 Besatzungsmitglieder und Passagiere haben im Rettungsboot der Carona überlebt, unter ihnen der Wollishofer Peter Härtli, welcher eine Matrosenlehre gemacht und bei dieser Reederei angeheuert hatte (siehe Blogbeitrag PETER Härtli, frühe Fotos).

Archivaufnahme NZZ, März 1964


Das Rettungsboot wurde danach in die Schweiz überführt und der Seepfadi zur Verfügung gestellt. Nach diesem Zweit-Einsatz wurde das lebensrettende Boot von Freiwilligen des Seemannsclubs der Schweiz restauriert und ist seit 1991 im Verkehrshaus Luzern zu besichtigen. Auch ein Film über das Unglück von 1964 wird dort gezeigt. Im Februar 2024 jährte sich das Hochsee-Unglück zum 60. Mal. Fünf der ehemaligen Schweizer Besatzungsmitglieder trafen sich im Verkehrshaus Luzern, um sich zu erinnern. (Hier geht es zum Zeitungsartikel )


Sicherheit dank Ausbildung


Zurück in die Gegenwart – zum Samstagnachmittag der Seepfadi: Der aktuelle Abteilungsleiter und «Admiral» Cariño, welcher die Seepfadi gemeinsam mit Kollegin «Suki» führt, berichtet uns, dass seit ihrer Gründung noch nie ein ernsthaftes Unglück passiert sei. Auch der anwesende Archivar der Gloggipfadi weiss von keinem grösseren Unfall. Zwar gab es das eine oder andere Malheur, zum Beispiel ein wegen Defekts gesunkenes kleineres Boot, das aber wieder geborgen werden konnte. Leib und Leben waren hingegen nie bedroht. Der Leiter führt dies unter anderem auf die sorgfältige Ausbildung und das strikte Einhalten der Regeln zurück.


Wir konnten uns vom verantwortungsvollen Umgang der jungen Leute mit Booten und Material denn auch mit eigenen Augen überzeugen! Von Herzen wünschen wir allen Seepfadis jederzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und danken für den tollen Einblick!



Ursula Hänni


 
  • Buch 100 Jahre Pfadikorps Glockenhof, 2012, Hrsg. Helmut Meyer, ISBN 978-3-905780-03-1

  • Website Seepfadi seepfadi.ch 

  • Website Gloggi-Pfadi Archiv archiv.gloggi.ch 

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